Umsteige-Gepäck findet optimal ins Ziel

Sensorgestützte Echtzeitoptimierung der Gepäckförderanlagen am Frankfurter Flughafen. Heute würde man Industrie 4.0 nennen, was wir vor zehn Jahren schon gemacht haben.

Zusammenfassung

Die Firma Fraport AG hatte aus Vorarbeiten eigene Expertise im Umgang mit Optimierungssoftware erworben und bat um Begleitung bei der Erarbeitung einer Lösung zur optimalen Steuerung der Gepäckförderanlagen. Es ging in erster Linie um das Transfergepäck, dass innerhalb der garantierten 45 Minuten von Einspeise- zu Ausspeiseort gelangen muss. An welchen Stellen soll ein Gepäckstück eingespeist oder besser zu einem anderen Ort oder sogar direkt zum Zielort gefahren werden? Kapazitäten der Anlagen und Wegezeiten sind genauso zu berücksichtigen wie die (Nicht)verfügbarkeit von Transportfahrzeugen und Mitarbeitenden. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde jedes Gepäckstück allein aufgrund seines Zielortes auf einer vorab festgelegten Route geleitet, ohne dass dabei der aktuelle Füllstatus der Anlage berücksichtigt würde. Diese Starrheit galt es aufzubrechen und gesucht war eine flexible Route für jedes Gepäckstück, so dass (sofern überhaupt möglich) die harten Termine eingehalten werden und insgesamt der Durchsatz der Anlage maximiert wird: Eine globale Optimierung der gesamten Anlage auf einmal.

Projektinfos

Dauer:
2011-2012
Leitung:
Marco Lübbecke
Beteiligte:
  • Martin Bergner
  • Sarah Kirchner
Kooperation:
  • Fraport AG
Kontakt:

Dynamische Routen

Wir haben die gesamte Gepäckförderanlage mit ihren Ein- und Ausspeisepunkten, Weichen, Puffern, Speichern, etc. als Graph (Netzwerk) modelliert, dessen Kanten mit den jeweiligen Transportzeiten gewichtet wurden. Der Planungshorizont wird dann in Sekunden diskretisiert und das Netzwerk "zeitexpandiert", d.h. es gibt von jedem Knoten und jede Sekunde eine Kopie (so entsteht eine Schicht von Knoten für jede Sekunde), wobei die Kanten so viele Schichten überspringen wie es ihrer Gewichtung (in Sekunden) entspricht, wenn sie einen Ort mit einem anderen verbinden. Jedes Gepäckstück wird auf diesem zeitexpandierten Netzwerk geroutet, indem ein Mehrgüterflussproblem formuliert und als ganzzahliges (lineares) Programm modelliert wird. Auf diese Weise können auch Bedingungen formuliert werden, die z.B. mehrere Kanten gleichzeitig betreffen.

Industrie 4.0 lässt grüßen

Die individuellen Routen für alle sich in der Anlage befindlichen Gepäckstücke werden minütlich neu berechnet, um stets mit dem aktuellen Status der Anlage zu arbeiten. Sensoren erkennen Gepäckstücke an Weichen, die entsprechend der Planung geroutet werden. Über Sensoren wird auch nachverfolgt, ob es ggf. zu Störungen gekommen ist, was wiederum in die nächste Planungsrunde eingeht und zu jeweils optimalen Alternativen führt. Dieses Zusammenspiel aus Sensorik und Echtzeitsteuerung der Anlage ist Industrie 4.0 vom Feinsten, veredelt durch eine heute noch immer oft fehlende Komponente: die mathematische Optimierung. Mit einem Augenzwinkern haben wir das Industrie 5.0 getauft.